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Kann Elon Musk seine Versprechen halten?

Tunnel Boring Elon Musk

Müssen innovative Produkte gewinnbringend sein? Bei dieser Frage ist Elon Musk extrem entspannt. Fünf Jahre nach Einführung des Models S schreibt Tesla mit seinen Oberklasse-Elektroautos noch immer Verluste. Am Ende des ersten Quartals 2017 fehlten 330 Millionen Dollar zur schwarzen Null. Das sind 17 Prozent mehr Verlust als im Vorjahresquartal. Dabei ist die Zahl der produzierten Elektroautos um 64 Prozent gestiegen, auch der Umsatz hat sich von 1,15 auf 2,70 Milliarden Dollar im Jahresvergleich mehr als verdoppelt. Schließlich hängt ab dem Model S 90D ein Preisschild jenseits der 100.000 Euro-Marke am Fahrzeug. Wer sich für die Komplettausstattung im Model X P100D entscheidet, muss knapp 200.000 Euro überweisen.

Doch die Börse liebt Elon Musk und Teslas Aktienkurs legte über die vergangenen zwölf Monate 45 Prozent zu. Ob er in absehbarer Zeit die Leitung bei Tesla abgeben werde, wird Elon Musk in einer Telefonkonferenz mit Analysten gefragt. “Nein, ich werde für den Rest meines Lebens bei Tesla sein. Vielleicht nicht als CEO, aber ich werde immer eine aktive Rolle spielen“, lautet seine Antwort.

Tesla Elektroauto Absatz Verkäufe

Tesla mit Vollsortiment und eigenem Ladenetz

Elon Musk ist maßgeblich an einem halben Dutzend Unternehmen / Projekten beteiligt (siehe Nummerierung in Klammern). Doch wann verzettelt sich ein Mensch? Ist es der Ankündigungs-Kick oder erleben wir hier ein wahres Genie am Werk? Im Gespräch mit Chris Anderson auf der TED-Konferenz in Vancouver zeigt Musk die Frontalaufnahme einer ansatzweise zu erkennenden Sattelzugmaschine. Mehr dazu folgt im September 2017. Den Prototyp sei Musk schon auf dem Firmenparkplatz gefahren. Ohne Auflieger fahre sich der Elektro-Truck wie ein Sportwagen, schwärmt der Unternehmer.

Tesla (1), der kleinste aber wertvollste US-Autohersteller, will langfristig ein globaler Player mit Limousine, SUV, Van, Pick-up-Truck und Nutzfahrzeugen im Programm werden. Das firmeneigene Ladenetz soll im laufenden Jahr auf 10.000 Supercharger in Autobahnnähe und 15.000 Destination-Charger an Hotels und Restaurants verdoppelt werden. 100 mobile Werkstatt-Trucks kommen, zunächst in den USA, hinzu. Eine freie, aber zertifizierte Werkstattkette für Karosseriearbeiten wird aufgebaut.

Alles schöne Ideen, doch bislang war Musk vor allem Ankündigungsweltmeister. Kein Produktionstermin, keine Absatzschätzung hat Tesla bislang eingehalten. In einem Interview mit mir schätzte er im Herbst 2013 seinen Absatz in Deutschland auf 800 bis 1.200 Fahrzeuge pro Monat. Im März 2017 erzielte Tesla mit 670 Autos in Deutschland seinen Zulassungsrekord. Das Ziel von weltweit 80.000 verkauften Autos verfehlt Musk im vergangenen Jahr, wenn auch nur knapp (76.230). Im kommenden Jahr will er die Produktion im Werk in Fremont auf 500.000 Autos mehr als versechsfachen. Alles in der einen Fabrik im kalifornischen Fremont.

Tesla Semi Sattelzugmaschine
Anmutung einer Tesla-Sattelzugmaschine mit Elektromotor

Ärger mit Grohmann in der Eifel

Im Juli 2017 soll die Produktion des “kleineren” Elektroautos Model 3 (Preis ab 35.000 Dollar) auf 5.000 Fahrzeuge pro Woche hochfahren. Ab 2018 sollen 10.000 Model 3 pro Woche vom Band laufen. Noch steht einem pünktlichen Produktionsstart nichts im Wege, doch wie viele Model 3 Tesla im zweiten Halbjahr insgesamt aus der Fabrik rollen werden, da will sich Elon Musk in der telefonischen Befragung durch die Analysten nicht festlegen.

Aktuell droht Ärger aus Deutschland: Grohmann Engineering aus Prüm soll Automationstechnik für die Fertigungsstraßen liefern. Doch Alteigentümer Klaus Grohmann hat im Streit das Unternehmen Hals über Kopf verlassen. Die Mitarbeiter kämpfen mit Hilfe der IG Metall um einen Tarifvertrag. Hier prallt US-Gründergeist auf deutsche Mitbestimmung. Angeblich war Teil des Deals, dass der Mittelständler auch weiterhin Teslas Wettbewerber wie BMW, VW und Daimler beliefern darf. Anzunehmen, Grohmann könne die 150 Millionen Dollar von Elon Musk einsacken und sein Know-how weiterhin frei am Markt verkaufen, wirkt rückblickend betrachtet reichlich naiv. Der Streit war also vorprogrammiert. Das Unternehmen aus der Eifel mit rund 700 Mitarbeitern ist ein wichtiges Zahnrad in Musks Plan mit dem Titel „Maschine, die die Maschine baut“. So beschreibt Musk immer wieder seinen Wettbewerbsvorteil. Der Automationsgrad liege beim Model 3 drei bis vier Mal über dem der anderen Modelle, sagt Chief Technology Officer J.B. Straubel in einer Analysten-Telefonkonferenz. Je schneller und besser Maschinen die Autos, Batterien und Solarzellen produzieren, umso erfolgreicher wird Elon Musk sein. Der Mensch soll nur eingreifen, wenn etwas nicht rund läuft.

Kamera als Schlüssel zur Autonomie

Genauso sieht Musk den Autofahrer von morgen. Bereits Ende des Jahres will er eins seiner Elektroautos auf den Weg von L.A. nach New York schicken, ohne dass ein Mensch eingreifen muss. Seit Ende des vergangenen Jahres spielt das Unternehmen diverse Software-Updates für den Autopiloten auf die Fahrzeuge der Kunden. Kam die Software bisher von einem Zulieferer, wird sie jetzt intern programmiert. Tesla konzentrierte sich stärker auf die Kamera als auf Radar- oder Lidar-Technologie. “Wenn man die Kamerabild-Erkennung meistert, hat man autonomes Fahren gemeistert“, sagt Elon Musk. Das  autonom fahrende Auto (Stufe 5) ist für ihn nur noch zwei Jahre entfernt. Schon heute schwärmt er von einer Flotte autonom fahrender Teslas, die von ihren Eigentümern vermietet werden. Der Idealfall: Der Besitzer refinanziert seine Leasingrate über die Vermietung. Damit wird Autofahren für Besitzer und Nutzer deutlich günstiger. Während viele Verkehrsexperten davon ausgehen, dass autonomes Car-Sharing die Verkehrssituation in Ballungsräumen entspannt, ist Musk anderer Meinung. Es wird alles noch viel schlimmer und das führt ihn zu einer unterirdischen Idee.

“So the amount of driving that will occur will be much greater with shared autonomy, and actually traffic will get far worse.”

Warum verlegt man den ganzen Verkehr nicht einfach unter die Erde? Technik-Fans staunen und das Video dazu sieht auch schwer beeindruckend aus. Musk jüngste Idee heißt Boring Company (2) – Achtung Wortwitz: bohren und langweilig. Mit eigenen Bohrmaschinen will Musk ein Netzwerk an Tunnelröhren und Aufzugschächten unter den Großstädten der Welt buddeln. Da Menschen in Tunneln dazu neigen, immer langsamer zu fahren und die Unfallgefahr hier besonders hoch ist, rasen die Autos auf autonomen Elektroschlitten mit bis zu 200 km/h durch die Unterwelt. In einer der Röhren könnte  auch Musks Hyperloop fahren. Das Transportgeschoss, das im fast luftleeren Raum auf einem Magnetfeld knapp unter Schallgeschwindigkeit unterwegs ist.

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Wenn Musk davon erzählt, hört sich das alles kinderleicht an. Schließlich könne man nach unten deutlich tiefer bohren als an der Erdoberfläche in die Höhe bauen. Da müsse man sich ja nur mal Minen anschauen. Und natürlich kann er Tunnel schneller und günstiger buddeln als alle anderen. Die Erweiterung der U-Bahn in L.A. habe grob eine Milliarde Dollar pro Meile gekostet. “Ich denke wir müssen den Preis pro Meile um das Zehnfache senken“, sagt Musk im TED-Gespräch. Der erste Schritt: Den Durchmesser einer Röhre von neun auf vier Meter senken. Mehr brauchen seine Elektroschlitten nicht. Außerdem könne seine Bohrmaschine in einem Arbeitsgang bohren und die Wände mit Beton auskleiden, das würde die Kosten nochmals senken.

The Boring Company von Elon Musk Bohrmaschine
Elon Musks erste Version der Bohrmaschine – Gegen den Verkehrskollaps in L.A.

Elon Musk und seine (Bauch-) Ideen

Wenn der studierte Physiker und Volkswirt das erklärt, klingt es vollkommen einleuchtend. Dabei ist Musk ein Bauchmensch. Etliche Ideen entspringen seinen Launen und Befindlichkeiten. Der 45-jährige pendelt regelmäßig zwischen seinem Wohnsitz in L.A. und dem Stadtteil Hawthorne, wo Space X als auch das Tesla Design Center liegen. Der Verkehr in der Metropolregion mit knapp 13 Millionen Einwohnern nervt ihn gewaltig, also kommt er auf die Idee mit den Tunneln. Vermutlich hat er in einer Besprechung, zu der er zu spät kam, über den Verkehr geklagt und laut über Tunnel nachgedacht. Im Gespräch mit Chris Anderson gibt Musk freimütig zu, dass bislang nur Praktikanten und Teilzeitkräfte an dem Tunnelprojekt gearbeitet haben. Vermutlich ging die meiste Arbeitszeit für das Video drauf.

In seinem Elektroauto fährt der gebürtige Südafrikaner jede Woche von L.A. die 575 Kilometer zur Tesla Fabrik in Fremont und der Zentrale in Palo Alto. Ihn stört, dass der Bundesstaat rund zehn Milliarden Dollar in eine Eisenbahnverbindung zwischen den kalifornischen Metropolen investieren will. Eine Eisenbahn auf Schienen! Technik des vorletzten Jahrhunderts und das im Silicon Valley, wo die Zukunft gemacht wird. Also haut er 2013 mithilfe einiger Space X-Ingenieure die Idee des Hyperloops raus. Das 58-seitige PDF-Dokument mit der Ideen-Beschreibung durfte jedermann nutzen. Musk wollte sich gar nicht engagieren. Aber so ganz loslassen kann er auch nicht. Nun veranstaltet sein Weltraumunternehmen Space X ein Ideenwettbewerb von Uni-Teams. Auf einer Teststrecke am Firmengelände geht von 25. bis 27. August 2017 die Hyperloop Pod Competion (3) in die nächste Runde.

“If the future does not include being out there among the stars and being a multi-planet species, I find that’s incredibly depressing.”

Ausgerechnet bei seinem Weltraumunternehmen Space X (4) sieht man greifbare Erfolge. Raketen ins All zu schießen, ist nicht einfach. Doch die NASA nutzt Space X als Logistikdienstleister für Lieferungen an die Internationale Raumstation und selbst das US-Militär vertraut Musks Unternehmen. Am 1. Mai 2017 brachte eine Falcon 9 Rakete erfolgreich einen militärischen Spionagesatelliten für das National Reconnaissance Office (NRO) ins All. Mission NROL-76 war der zweite von fünf Flügen für die NRO in diesem Jahr. Wenige Tage zuvor brachte eine Falcon 9-Trägerrakete für SES einen Satelliten ins All.

Das Besondere, die Trägerrakete war eine Recyling-Röhre und bereits zum zweiten Mal im Einsatz. Etliche Trägerraketen sind bereits erfolgreich nach dem Flug auf einer schwimmenden Plattform oder auf festem Boden gelandet. Musks Idee: Raketen sollen wie Flugzeuge verkehren: Landen, tanken, beladen werden und gleich wieder ins All starten. Nur so können man den Preis für Raumfahrt senken und langfristig die Besiedlung des Mars realisieren. Ja, Musk möchte zum Mars. Warum eigentlich fragt ihn Chris Anderson. “Was lässt Dich morgens aufstehen? Warum lebst Du? Wenn die Zukunft nicht so aussieht, dass wir zu den Sternen fliegen und uns zu einer multiplanetaren Spezies entwickeln, fände ich das sehr deprimierend“, antwortet Musk. Für ihn entwickle sich der technische Fortschritt nicht automatisch weiter. 1969 habe man einen Mann auf den Mond geschickt. Das Space Shuttle-Programm habe Menschen nur noch auf niedrigere Erdumlaufbahnen befördert. So wie das Wissen um den Bau der Pyramiden im alten Ägypten und der Aquädukte im alten Rom verloren ging, so gehe Wissen verloren, wenn nicht eine Menge Leute hart am Fortschritt arbeiten, so Musk.

NROL-76 Mission von Space X
Falcon 9 startet am 1. Mai 2017 vom Kennedy Space Center in Florida mit einem militärischen Spionagesatellit an Bord ins All.

Elon Musks Gigantonomie

Musks Projekte begeistern allein schon aufgrund ihrer Größe. Gigantomanie durch Gigafactorys. In der Wüste von Nevada entsteht das weltgrößte Produktionsgebäude, das von oben wie ein Diamant in Nord-Süd-Ausrichtung aussehen wird. Seit 2014 wird auf einer Grundfläche von 540.000 Quadratmetern gebaut. Der 21 Meter hohe Bau umfasst zwei, drei oder vier Ebenen. Tesla baut separate Gebäudeteile – das ist sicherer bei Erdbeben und ermöglicht eine schrittweise Inbetriebnahme. Von den geplanten 1,3 Millionen Quadratmetern Nutzfläche waren zum Produktionsstart in diesem Jahr gerade mal 14 Prozent fertig. In Zusammenarbeit mit Panasonic werden hier ab 2020 über 100 Gigawattstunden Batterieleistung pro Jahr gefertigt. Eine zweite Gigafactory entsteht in Buffalo im Staat New York und stammt aus der Übernahme von Solar City. Hier fertigt Tesla Solarpanels, als auch die vier im November 2016 angekündigten Dachziegelmodelle mit integrierten Solarzellen. Wenn die Fertigungsstätte 2019 komplett ist, wird sie die größte Solarfabrik in der westlichen Hemisphäre. Groß kann er, der Elon.

Tesla Gigafactory in Nevada
Wenn die Tesla Gigafactory in der Wüste von Nevada fertig ist, wird sie von oben wie ein Diamant aussehen. Links ist ein Google Satellitenaufnahme mit unbekanntem Datum, rechts im Januar 2017

Beobachter gehen davon aus, dass demnächst für Europa und China jeweils ein Standort für eine Gigafabrik verkündet wird. Zwei Tonnen schwere Elektroautos sowie hunderte Kilos schwere Speicherbatterien zu transportieren, lässt die Logistikkosten explodieren und ist in Ländern mit hohen Einfuhrzöllen ein Hindernis. Auch hier kann Musk nur groß: Vier Standorte für neue Gigafactorys werde er im Laufe des Jahres bekannt geben. Laut seiner Rechnung bräuchte die Welt rund 100 Gigafactorys, um bei der globalen Stromproduktion komplett auf Sonnenenergie und Speicherbatterien umzusteigen.

“I am not trying to be anyone’s savior. I’m just trying to think about the future and not be sad.”

Nachhaltige Energieproduktion und Nutzung, Eroberung des Weltraums. Klar, so einen Visionär möchte der US-Präsident in seinem Beraterstab haben. Mal abgesehen davon, dass Donald Trump nicht an den Treibhauseffekt glaubt und der Öl-Industrie nah steht. Trotzdem hat er Elon Musk in das Business Advisory Council (5) berufen. Das hat Musk, anders als Uber-Boss Travis Kalanick, auch nach heftiger Kritik nicht verlassen. Vielleicht kann er bei Trump ja tatsächlich etwas bewirken. Musk scheint keine Aufgabe zu groß.

Mit seinem jüngsten Unternehmen Neuralink (6) geht er ebenfalls eine bahnbrechende Idee an. Er will die Brücke zwischen menschlichem Gehirn und Maschine schlagen. Per Gedanken soll man Computer steuern können. Wenn man sich die Dimensionen und die Auswirkungen seiner sechs Unternehmungen anschaut, fragt man sich, wie kann das ein einzelner Mensch realisieren? Das geht Elon Musk wohl manchmal auch so. Zum Abschluss des TED-Gesprächs bittet er seinen Interviewer: “Aber Du sagst mir bescheid, wenn es anfängt wirklich verrückt zu werden, richtig?

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